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Freitag, 20. April 2012

Gesang aus dem Aquarium 5. Psalm

Jabba-dabba-du! Das Semester hat angefangen und holterdipolter ist man drin in dem Strudel und weiß gar nicht mehr, wie einem geschieht.

Vor kurzem bin ich über dieses Gedicht von Bertolt Brecht gestolpert und irgendwas daran lässt mich seit diesem Zeitpunkt nicht mehr los, darum:

Gesang aus dem Aquarium 5. Psalm

Ich habe den Becher geleert bis zur Neige. Ich bin nämlich
verführt worden.

Ich war ein Kind und man liebte mich.

Die Welt verzweifelte, denn ich blieb rein. Sie wälzte sich auf
 dem Boden vor mir, mit weichen Gliedern und lockenden
Hinterteilen. Ich blieb standhaft.

Sie zu besänftigen, als sie es zu arg trieb, legte ich mich zu ihr
und wurde unrein

Die Sünde befriedigte mich. Die Philosophie half mir im Mor-
gengrauen, wenn ich wach lag. Ich wurde so, wie man mich
wollte.

Ich sah lange nach oben und glaubte, der Himmel sei trau-
rig über mich. Aber ich sah, dass ich ihm gleichgültig war.
Er liebte sich selbst.

Nun bin ich lange ertrunken. Ich liege dick auf dem Grund.
Fische wohnen in mir. Das Meer geht zur Neige.

Sonntag, 8. April 2012

Osterspaziergang

Bestimmt nicht neu, aber doch immer wieder schön und eben einfach zum Anlass passend;
Der Osterspaziergang aus Goethes "Faust"

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flor;
Aber die Sonne duldet kein Weißes:

Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt's im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,

Denn sie sind selber auferstanden
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit' und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein.
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!

Frohe Ostern!